DRAMATISCHE ARKTIS-SCHMELZE

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,505951,00.html

 

Radarbild des Esa-Satelliten "Envisat" von der McClure-Straße in der kanadischen Arktis:

Die McClure-Straße ist der direkteste Weg über die Nordwest-Passage und ist laut Esa seit Anfang August komplett eisfrei

 

Nordwest-Passage komplett eisfrei!

 

Das Meereis der Arktis ist auf einen rekordverdächtigen Tiefstand abgeschmolzen. Aktuelle Satellitenbilder zeigen, dass die Nordwest-Passage vom Atlantik zum Pazifik völlig eisfrei und damit für Schiffe befahrbar ist. Ein Experte bezeichnet die Schmelze als "extrem".

 

Früherer Minusrekord: Im September 2005 wurde die geringste sommerliche Meereis-Bedeckung der Arktis seit 1978 registriert. Die Eisfläche betrug knapp vier Millinen Quadratkilometer

Die Nordwest-Passage ist für die Schifffahrt seit langem ein Objekt der Begierde: Sie könnte den Seeweg von Europa nach Ostasien gegenüber der klassischen Route durch den Suezkanal um mehrere Tausend Kilometer abkürzen. Allerdings war die Benutzung der Nordwest-Passage bisher zu gefährlich: Das Eis der Arktis machte sie für Transportschiffe praktisch unpassierbar.

Meereisfläche im September 2006: Im vergangenen Jahr sah es kaum besser aus als 2005 - auch hier sind nur rund vier Millionen Quadratkilometer Eis zu sehen

Doch das hat sich geändert, wie die europäische Weltraumbehörde Esa jetzt meldet: Auf Satellitenbildern sei erkennbar, dass die Eisfläche in der Nordpolregion auf ihre geringste Ausdehnung seit Beginn der Satellitenbeobachtung vor 30 Jahren geschrumpft sei. Die Aufnahmen zeigten, dass die gesamte Route gegenwärtig schiffbar sei.

Die Eisfläche im Nordpolargebiet ist laut Esa auf drei Millionen Quadratkilometer geschrumpft - eine Million weniger als die bislang geringsten Ausdehnungen in den Jahren 2005 und 2006, und auch damals sei die Nordwest-Passage nicht vollkommen frei gewesen.

Minusrekord: In diesem Jahr ist die Eisfläche auf nur rund drei Millionen Quadratkilomter geschrumpft. Die Nordwest-Passage (gelbe Linie) ist vollständig eisfrei. Auch die Nordost-Passage entlang der sibirischen Küste (blaue Linie) ist bis auf ein kurzes Stück schiffbar

"Dieser Rückgang ist extrem"

Die größte Ausdehnung des arktischen Meereises wird jeweils im März und die geringste im September registriert. In den vergangenen zehn Jahren verringerte sich das Eis im Durchschnitt um etwa 100.000 Quadratkilometer pro Jahr, teilte die Esa mit. "Ein Rückgang um eine Million Quadratkilometer in nur einem Jahr ist extrem", sagte Leif Toudal Pedersen vom dänischen Raumfahrtzentrum. Das könne bedeuten, dass das Meereis im Sommer wesentlich früher verschwunden sein könnte als bisher angenommen. "Wir müssen dringend die daran beteiligten Prozesse besser verstehen", sagte Pedersen.

Karges Forschungsgebiet: Der Zackenberg im abgelegenen Nordosten Grönlands. Im Juni haben Wissenschaftler gemessen, wie rapide der Frühling sich für Tiere und Pflanzen in Grönland nach vorne verlagert.

Die Arktis gilt seit langem als der Ort, an dem der Klimawandel weltweit die deutlichsten Folgen haben wird,  - unter anderem wegen eines Rückkopplungseffekts. Wenn das Poleis schmilzt, wird die Fläche kleiner, die die Sonnenstrahlung ins All reflektiert - weshalb die Schmelze weiter an Geschwindigkeit zunimmt. Wissenschaftler glauben, dass das arktische Meereis bis zum Jahr 2040, möglicherweise schon 2020 während des Sommers komplett verschwunden sein könnte.

Die Arktis-Anrainer sehen im Abschmelzen des Nordpols aber durchaus auch Vorteile. Neben der Nordwest-Passage wird der Zugang zu Erdöl- und Gasreserven in dem Gebiet frei. Dies hat bereits zu neuen Rangeleien um die Souveränitätsrechte in der Arktis geführt.

So stellten russische Forscher kürzlich demonstrativ die Nationalflagge in 4000 Meter Tiefe auf dem Meeresboden unter dem Nordpol auf, um den Anspruch des Landes auf das Gebiet zu unterstreichen.

Eisberge an der Küste von Kulusuk in Grönland, August 2005: Vor zwei Jahren erreichte die Meereis-Bedeckung der Arktis das letzte Minimum. In diesem Jahr wurde es deutlich unterboten