DIE GESCHICHTE VOM EINSAMEN ZAUBERER

Um Märchen zu erzählen muss man viel wissen und erblicken was für andere verschleiert bleibt - dazu muss man lange gelebt haben und deshalb sind alte Menschen die besten Märchenerzähler.

Die Kinder lieben es so sehr Märchen zuhören, denn nur sie haben genug Phantasie sich alles plastisch auszumalen und den verborgenen Kern der Geschichten intuitiv zu erfassen, denn Kinder wissen, dass Phantasie Wahrheit ist.

Im ältesten Märchenbuch der Welt steht geschrieben....

Es war einmal ein großer Zauberer und erlebte in seinem Zauberreich voller Licht, es war vollkommen, unbegrenzt und erfüllte das gesamte Universum. Der Zauberer war groß, er war schön, er war die Herrlichkeit selbst und sein Herz war offen und voller Liebe – aber er lebte alleine in seinem großen Reich. Es gab dort niemanden mit dem er über Weisheit sprechen und seine Liebe teilen konnte, es gab niemanden der ihn wahrnahm, niemanden dem er seine Zauberkunststücke vorführen und dem er mit seinen Schöpfungen Freude bereiten konnte – er war traurig so alleine zu sein!

Er grübelte....was wäre wenn ich einen Stein erschüfe, vielleicht genügte das – ich könnte ihn berühren, ihn fühlen –da wäre etwas das in meiner Nähe ist – er war einfach traurig alleine zu sein –er nahm seinen Zauberstab und tak-tak es entstand ein Stein, genauso ein Stein wie er ihn sich vorgestellt hatte, glatt und schön geformt, funkelnd und strahlend über alle Maßen – er streichelte den Stein und liebkoste ihn, doch dieser blieb kühl, glatt und stumm, vibrierte nur leicht in der Schwingung des Meisters – nun probierte er noch mehr Steine zu erschaffen – verschiedene andere Steine, Felsen und Berge, Landschaften, Planeten – ganze Welten, die er mit unzähligen kristallenen Sternen füllte und alles trug die Energie des Zauberers, aber sie blieben ebenso stumm wie der erste Stein, sie existierten, aber nicht mehr und der Zauberer fühlte wieder wie traurig es ist alleine zu sein.

Nun dachte der Meister – vielleicht erschaffe ich eine Pflanze, ein Blume die mich mit Schönheit und Farbe erfreut, ich wässere und nähre sie täglich, verwöhne sie mit frischer Luft und viel Licht – ich werde mich um die Blume sorgen und sie wird mir Freude und Glückschenken, denn es ist so traurig alleine zu sein. Er winkte mit dem Zauberstab tak-tak und schon erschien eine wunder-schöne Blume vor ihm, sie funkelte und strahlte in allen Farbschattierungen und glitzerte wie tausend Diamanten –genau so wie er sie sich gewünscht hatte. Der Zauberer fing nun an vor der Blume zu tanzen, aber diese drehte sich nicht mit ihm, sie konnte ihn zwar spüren, ihm aber nicht ihre Freude zeigen und sich mit ihm drehen. Er fing an noch mehr Pflanzen zu erschaffen, große und kleine, Gärten und Wälder, Haine und Felder und unzählige Bäume aber sie alle waren wie eine einzige Pflanze. Sie warenschön und farben-prächtig anzusehen aber entsprachen definitiv dem Bewusstsein ihres Schöpfers, auch sie gaben ihm keine Antwort und reagierten fast nicht auf ihn, denn sie waren er selbst – oh wie traurig war es alleine zu sein.

Der Zauberer dachte lange nach, was wäre wenn ich ein Tier erschaffe – ja einen Hund, einen zärtlichen, kleinen, lustigen Hund mit dem ich spielen kann – er wird hinter mir herlaufen und ich bin nicht mehr alleine – er winkte mit dem Zauberstab und tak-tak erschien einkleines geflecktes Hündchen, genauso wie er es sich vorgestellt hatte. Er fing an das Hündchen zu versorgen, gab ihm Futter und Wasser, streichelte und verwöhnte es, er wusch es und ging mit ihm spazieren – er machte alles für den kleinen Hund. Dieser war ihm treu ergeben und sein ganzer Wunsch war es ganznahe bei seinem Herrchen zu sein, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen, aber die Energie des Hündchens entsprach in allem der des Zauberers, widersetzte sich nie seinem Willen – es war demütig und gehorsam und schon bald erfüllte ihn diese Freude nicht mehr. Der Zauberer fing an weiteres Leben zu erschaffen –Fische, Echsen, Vögel und unzählige andere Lebewesen, in allen Größen, Formen und Schattierungen – aber alle Tiere waren er selbst und konnte ihm nicht Freund und Partner sein – ach wie war es traurig so alleine zu sein.

Lange dachte der Meister nach und dann wusste er es – ein richtiger Freund kann nur jemand sein der genau nach meinem Ebenbild erschaffen ist, aber einen freien eigenen Willen hat, der ihm dazu verhelfen würde mir gegenüber zu stehen. Zuerst würde er mich brauchen, meine Geschenke und Liebe freudig entgegennehmen - ich könnte ihn alles lehren was ich weiß, wir könnten zusammen in meinem Schloss wohnen und irgendwann würde ich ihn loslassen um sich selbst zu finden – denn nur wenn er sich seiner Selbst, außerhalb von mir wahrnimmt, kann er so werden wie ich, erschaffen wie ich, leben wie ich und lieben wie ich – nur dann wüsste er mich zu verstehen, ach es ist so traurig alleine zu sein.

Wer könnte mein Ebenbild werden? Wer könnte meine Gaben wirklich schätzen und mir Gleiches schenken? Ja, ich könnte einen Menschen erschaffen, genau nach meinem Ebenbild und wir werden glücklich zusammen sein. Er nahm seinen Zauberstab und erschuf ein Lichtwesen genau nach seinem Ebenbild. Dieser Mensch genoss die vielen Geschenken und Gaben die ihm der Zauberer schenkte, er unterhielt sich mit ihm und leistete ihm Gesellschaft– aber er ahnte nichts vom wahren Wesen des Zauberers und seiner großen Liebe zu ihm, denn der Mensch lebte, aber war sich seiner selbst noch nicht bewusst. Er erfreute sich zwar der Gaben des Meisters, wusste sie aber nicht zu schätzen- irgendwann begann er sich zu langweilen und versuchte bis an die Grenzen des Reiches zu stoßen, immer auf der Suche nach neuen Erfahrungen.

Während dieser Entdeckungsreisen entfernte er sich mehr und mehr vom Zuhause und eines Tages stieß er auf eine große Feuerwand, die ihm große Angst einjagte und ihn magisch anzog. Er begann sich dagegen zu wehren wurde aber einfach in sie hineingezogen und überschritt die Grenze die ihn vom Zauberreich abtrennte. Der Zauberer verstand: „Um das Glück zu zweit wirklich genießen zu können, muss der Mensch Erfahrungen sammeln die im Reich der Einheit nicht gemacht werden können. Er muss mich erst fortgehen um die Freude des Wiederfindens wahrhaft erleben zu können, er muss lernen zufühlen wie verlassen er ohne mich ist und wie einsam ich ohne ihn wäre – ach wie traurig ist es doch alleine zu sein.

Diese Abtrennung vom Zauberreich war für den Menschen sehr traumatisch. Zum ersten Mal spürte er Unsicherheit in seinem Wesen und Misstrauen und begann die Kontrolle zu verlieren. Er fühlte immer mehr wie der Kern aller Dinge zu zerbröckeln begann – sein eigenes inneres Wesen wurde in unzählige Teile zerrissen und der Mensch verlor sich selbst. Erfand sich an einem Ort wo es dunkel und kalt war und konnte den Weg zurück nicht mehr finden - ach wie traurig ist es doch so alleine zu sein, dachte der Mensch und überlegte was er tun könne um seine Lage zu verbessern. Er traf an diesem Ort andere Wesen seiner Art aber die fühlten sich tief im Herzen genauso einsam wie er selbst, genauso ängstlich, schutzlos, verzweifelt und mit große Schuld beladen. Als erstes begannen sie sich ein trockenes und sicheres Zuhause zu schaffen um sich irgendwie vor der rauen Umwelt zu schützen – erinnerten sich dunkel ihrer einstigen Fähigkeiten und begannen sich ihre Welt neu zu erschaffen.

Als kleine verstreute Hologramme des Abbilds des großen Zauberers legten sie den Grundstein einer neuen Schöpfung und erschufen einen zweiten Schöpfungskreis. Sie schufen immer mehr –irgendwann dachte ein Mensch an einen Stein – einen glatten blanken Stein um nicht mehr alleine zu sein, er nahm seinen Zauberstab und tak-tak schon war der Stein da, aber mit rauen Kanten, schwer und fest, er erinnerte nur im Entferntesten dem schönen Energiegebilde des Zauberers. Sie erschufen gemeinsam ihre eigene Welt - sie erschufen Kontinente, Länder, Städte, Dörfer, Höhlen, Häuser, Gärten, Wälder, Autos und schließlich Fernsehapparate, Computer, Telefone und Fußball am Wochenende – alles nur um nicht mehr so traurig alleine zu sein – sie erschufen immer neue Dinge, immer als Versuch darin das wunderbare Zauberreich wieder zu finden und die Geheimnisse des Lebens zu lösen.

Der Mensch erschuf immer mehr und das ermüdete ihn sehr, irgendwann schlief er ein und vergaß, daß er der Schöpfer seiner Welt war und seine Angst wurde immer größer, er fühlte sich immer einsamer und hilfloser, bis er nur noch wie ein Blatt im Wind dahin trieb und seine ganze Macht und Verantwortung an seine Schöpfungen abgab. In Sehnsucht nach dem großen liebevollen Zauberer erschuf er sich Scheinzauberer und Trickkünstler, denen er die ganze Macht und Kontrolle übergab, sie kontrollierten nun die spirituellen Lehren, konnten aber nur mehr ein schwaches Echo in seinem Inneren hervorrufen. Die einst schöne und lichtvolle Welt versank immer mehr in Dunkelheit, Angst und Bewusstlosigkeit.

Eines Tages begann ein Mensch sich zustrecken, zu gähnen und sich den äonenlangen Schlaf aus den Augen zu reiben. Langsam erwachte er aus seinem Tiefschlaf, denn er hörte eine leise Stimme im Inneren die fragte: „War da nicht einmal mehr, erinnere Dich wer Du bist und woher Du kommst? Und ganz sanft regte sich ein unbeschreibliches Sehnen in seinem Herzen und der Drang sich wieder auf Reisen zu begeben um den Weg nach Hause zu suchen – aber wo beginnt dieser Weg und was ist zu tun? Er konnte nicht mehr ruhig schlafen, nicht mehr wie früher essen und alles um ihn herumbegann sich zu verändern – ganz langsam kehren seine Erinnerungen wieder, zuerst als Ahnungen und Intuition, dann stiegen bekannte Bilder aus der Zauberwelt aus seinem Inneren auf – die Sehnsucht nach der Nähe und Liebe des Zauberers wurde immer stärker. Er fand das alte verborgene Zauberbuch und den Zauberstab wieder und macht sich an die Arbeit – viele neue Zauberschriften tauchen wie aus dem Nichts auf um den suchenden Menschen auf seinem Weg zurück zu begleiten. Der Mensch fühlte – es ist noch so viel zu erlernen, so viel zu erfahren, so viel zu begreifen und so viel zu tun – die Arbeit in den Zauberschriften muss der Mensch ganz alleine entschlüsseln und jeder seine eigene Zauberformel finden.

Steil, steinig, mühsam und dornig ist der Weg heim ins Zauberreich. Unzählige Stolpersteine warten auf diesem Pfad um vom Menschen in Meilensteinen umgewandelt zu werden. Unzählig Schlangen warten im Gebüsch darauf ihn zu ängstigen, aufzuhalten und vom Weg abzubringen. Kurz vor dem Ziel erwarten ihn immergrößere Herausforderungen, denn die Mauern ums Zauberreich sind unendlich hoch und verriegelt das Tor. Doch der Mensch lässt sich nicht ent-mutigen und geht tapfer vorwärts – mit jeder Enttäuschung wächst auch der Wunsch heimzukehren und aus der Tiefe des Schmerzes wachsen wahre Liebe und Mitgefühl. Die Menschenbeginnen zu verstehen, daß die gesamte Menschheit EINS ist und sie nur als GANZES zurückkehren kann. So halten immer mehr Menschen auf ihrem Weg ein um auf die Nachkommenden zu warten, diese zu stützen und ihnen nach einem Sturz wieder aufzuhelfen - immer mehr schließen sich dem Zug an und nun ist es schon viel weniger traurig alleine zu sein.

Irgendwann beginnt der Mensch tief in seinem Inneren zu fühlen – etwas völlig Neues, Ungewohntes schlägt in altbekanntem Rhythmus - tak-tak - und langsam beginnen Körper und Geist in diesem Takt mitzuschwingen und ein Licht aus seiner Mitte erhellte die Dunkelheit rundherum und plötzlich weiß er mit Gewissheit – der Zauberer war immer an seiner Seite gewesen, denn ein Teil von ihm war unbemerkt auf seine Reise mitgegangen, hat ihn sanft geführt wenn er Hilfe brauchte und er hat ihm einst sein Zauberbuch überreicht, um ihn an das Zauberreichs zu erinnern –niemals war jemand wirklich alleine und die Einsamkeit war nur Illusion.

Und als der Mensch sich dieser Wahrheit bewusst wurde, spürte der Zauberer was er sich von Anfang an gewünscht hatte –der Mensch ist nun zu seinem wirklichen Partner herangewachsen. Indem er den langen Weg durch die physische Dichte gegangen ist und eingetaucht in alle potentiellen menschlichen Erfahrungen, her die Geheimnisse wahrer Liebe gefunden und ist dabei zum Ebenbild des Meisters geworden. Er ist nun selbst in der Lage zu zaubern und zu erschaffen und dafür auch die Verantwortung zu übernehmen -jetzt ist es gar nicht mehr notwendig ins Zauberschloss im Zauberreichheimzukehren, denn gemeinsam schufen sie ein neues Reich und bauen ein völlig neues, noch nie da gewesenes Zauberschloss – der Weg ist jetzt geöffnet und die Energie des Zauberreichs kann jetzt bis hierher strahlen um das neue Reich zu erleuchten.

Kannst Du auch in Deinem Herzen den sanften Schlag des Zauberstabes fühlen: „Tak-Tak“?

fam-lavy@zahav.net.il